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Samstag, 12. Januar 2013

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.09.2010 Zug um Zug gegen Übertragung der T 6 % Hypothekenanleihen ...#/...(...#/...#) im Nennwert von 20.000,00 Euro zu zahlen


  • Datum:

    26. Januar 2012
  • Aktenzeichen:

    30 O 14/11
  • Typ:

    Urteil
  • Fundstelle:

    openJur 2012, 84258
  • Verfahrensgang:

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.09.2010 Zug um Zug gegen Übertragung der T 6 % Hypothekenanleihen ...#/...(...#/...#) im Nennwert von 20.000,00 Euro zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger vorprozessual aufgewandte Anwaltskosten in Höhe von 1.023,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.02.2011 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der eingangs bezeichneten Hypothekenanleihen in Verzug befindet.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistungen von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Rückzahlung von Hypothekenanleihen nach erklärter Kündigung aus wichtigem Grund.
Im April 2007 erwarb der Kläger von der Beklagten, die damals noch unter dem Namen T Vermögensverwaltung GmbH firmierte, Hypothekenanleihen der dritten Tranche (...#/...#) im Nennwert von 20.000,00 Euro. Die Teilschuldverschreibungen sollten nach den jeweiligen Anleihebedingungen mit 6 Prozent jährlich verzinst werden. Die Zinsen sollten jeweils am 16.11. eines Jahres fällig werden und die Rückzahlung der Anleihe am 16.11.2016 erfolgen. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Anleihe und den Anleihebedingungen wird auf den in Kopie zur Gerichtsakte gereichten Wertpapierprospekt (Anlage K1, AH I) verwiesen.
In der Folgezeit geriet die Beklagte in finanzielle Schwierigkeiten. Sie befindet sich seit Juni 2010 aufgrund einer bilanziellen Überschuldung - per 31.12.2010 war ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag in Höhe von circa 4,2 Millionen Euro zu erwarten - in einer Sanierungs- bzw. Restrukturierungsphase. Am 30.06.2010 erklärte die Beklagte in einer Adhoc-Mitteilung unter anderem, dass die Geschäftsführung davon ausgehe, dass keine positive Fortführungsprognose bestehe und eine Überschuldung gegeben sei. Sie kündigte ein Restrukturierungskonzept an und teilte mit, dass sie vor diesem Hintergrund Zinszahlungen, die in Bezug auf Anleihen der ersten und zweiten Tranche zum 01.07.2010 fällig würden, aussetze. Mit Adhoc-Mitteilung vom 12.08.2010 legt die Beklagte ein Restrukturierungskonzept vor, das eine Reduzierung des Zinssatzes jeder Anleihe auf 1 % p. A. rückwirkend ab dem 01.07.2010 bis einschließlich 30.06.2013 und eine Reduzierung des Nennwerts der Anleihen um 60 % auf 40 % vor sah. Gleichzeitig wies die Beklagte darauf hin, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Insolvenzantrag unausweichlich sei. Wenn die Gläubigerversammlungen nicht sämtlich der vorgeschlagenen Reduzierung des Zinssatzes zustimmen würden. Weiter wies die Beklagte darauf hin, dass nach wie vor eine Insolvenzgefahr bestünde.
Am 24.08., 25.08. und am 26.08.2010 berief die Beklagte erstmals - für jede der drei Anleihen gesondert - Gläubigerversammlungen ein. Dabei wollte sie erreichen, dass der Zinssatz der Anleihen wie beschrieben reduziert wird und die Anleihegläubiger für die Zeit bis zum 24.08.2013 auf etwaige Rechte zur Kündigung verzichten. In den Gläubigerversammlungen stimmten zwar die Mehrheit der anwesenden Gläubiger für die Beschlüsse, die Versammlungen waren allerdings nicht beschlussfähig, weil jeweils weniger als 50 % der im Umlauf befindlichen Schuldverschreibungen vertreten waren.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 09.09.2010 kündigte der Kläger seine Anleihe gegenüber der Beklagten aus wichtigem Grund und forderte die Beklagte auf, ihm bis zum 17.09.2010 den Anleihebetrag und die offenen Zinsen zurück zu zahlen. Eine Rückzahlung erfolgte jedoch nicht.
Im Rahmen einer weiteren Gläubigerversammlung, die am 27.10., 28.10. bzw. 02.11.2010 stattfand, stimmten die Anleihegläubiger den Beschlussvorschlägen über die Ermäßigung des Zinssatzes und dem Ausschluss des Kündigungsrechtes wirksam zu.
Mit Valuta vom 11.11.2010 zahlte die Beklagte die Zinsen für die erste und zweite Anleihe.
Im Hinblick auf die vorgeschlagene Reduzierung des Nennwerts der Anteile führte die Beklagte - wiederum für jede Anleihe gesondert - im Frühjahr 2011 Gläubigerversammlungen durch, die allerdings erneut nicht beschlussfähig waren.
Die vorgerichtlich für den Kläger tätig gewordenen Rechtsanwälte L &L legten das Mandat nach abgeschlossener vorgerichtlicher Vertretung nieder, weil ihnen die prozessuale Vertretung für diese aufgrund eines Interessenkonfliktes nicht möglich war. Die Rechtsanwälte L & L vertreten auch weiterhin Anleger in Gläubigerversammlungen zur Sanierung der Beklagten, die sich dafür entschieden haben, ihre Anleihen nicht zu kündigen. Die Rechtsanwälte L & L rechneten ihre Tätigkeit gegenüber dem Kläger mit einem Betrag von 1.023,16 Euro ab.
Der Kläger ist der Ansicht, seine Kündigung sei schon im Hinblick auf die Nichtzahlung der Zinsen zum Fälligkeitstermin am 01.07.2010 gerechtfertigt. Er behauptet, die Beklagte habe in wesentlichen Punkten unter Missachtung der Anlagebedingungen massiv und fortwährend gegen die Vertragsbedingungen im Wertpapierverkaufsprospekt verstoßen. Infolge dessen sei die Vertrauensgrundlage zwischen ihm und der Beklagten irreparabel zerstört. Insbesondere habe die Beklagte durch eine Serie katastrophaler Managementfehler die Aufzehrung des Eigenkapitals verursacht. Ferner seien die Emissionserlöse nicht entsprechend den Anleihebedingungen für die Anleihen verwandt worden. Im Übrigen habe es die Beklagte vertragswidrig unterlassen, Rückgewähransprüche in Bezug auf die Grundschulden sowie gegebenenfalls etwaige Mietforderung an den Treuhänder abzutreten. Der Kläger ist schließlich der Ansicht, einer Fristsetzung zur Abhilfe gemäß § 314 Abs. 2 BGB habe es nicht bedurft.
Der Kläger beantragt mit der am 02.02.2011 zugestellten Klage,
1.              die Beklagte zu verurteilen, an ihn 20.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2010 Zug um Zug gegen Übertragung der T 6 % Hypothekenanleihen ...#/...(...#/...#) im Nennwert von 20.000,00 Euro zu zahlen,
2.              die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorprozessual aufgewandte Anwaltskosten in Höhe von 1.023,16 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie
3.               festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der im Klageantrag zu Ziffer 1 bezeichneten Hypothekenanleihen im Verzug befindet.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, aus der verzögerten Zinszahlung folge kein Kündigungsrecht, zumal der Kläger ihr keine angemessene Frist zur Abhilfe im Sinne von § 314 Abs. 2 gesetzt habe. Im Übrigen bestünde aber auch deshalb kein Kündigungsrecht, weil der Kläger aus einer Kündigung keinerlei Vorteile ziehen könnte. Hierzu behauptet die Beklagte, bei einem Erfolg der Klage sei auch im Hinblick auf die Klageforderungen anderer Anleger eine positive Fortbestehensprognose ausgeschlossen und die Beklagte müsste die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen, weil sie überschuldet wäre. In diesem Fall würde der Kläger einen Totalverlust erleiden. Sie ist daher der Ansicht, dass dem Kläger die Fortsetzung des Schuldverhältnisses aus der Anleihe zugemutet werden könne. Ferner erstrebe der Kläger mit seiner Kündigung einen unzulässigen Sondervorteil. Weiter stünden der Kündigung des Klägers die Beschlüsse der Anleihegläubiger, insbesondere der Kündigungsverzicht, entgegen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist im Wesentlichen begründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von 20.000,00 Euro Zug um Zug gegen Übertragung der streitgegenständlichen Anleihen entsprechend § 488 Abs. 1 S. 2 BGB in Verbindung mit dem Wertpapierkaufvertrag zu.
An der Aktivlegitimation des Klägers bestehen keine Bedenken, nachdem dieser mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 22.06.2011 eine Depotbescheinigung vom 25.05.2011 vorgelegt hat, aus der sich ergibt, dass die streitgegenständlichen Anleihen nach wie vor in seinem Depot vorhanden sind. Der Kläger ist nicht verpflichtet gewesen, bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eine weitere, aktuellere Depotbescheinigung vorzulegen. Soweit die Beklagte mit Blick auf das Datum der Depotbescheinigung weiterhin bestreitet, dass der Kläger noch Inhaber der Anleihen ist, ist dieses viel zu allgemein gehalten um beachtlich zu sein. Es sind von der Beklagten weder konkrete Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass der Kläger die Anleihen zwischenzeitlich veräußert oder sonst wie weg gegeben hat. Dies ist auch sonst nicht ersichtlich.
Die mit Schreiben vom 09.09.2010 erklärte Kündigung des Klägers aus wichtigem Grund ist gemäß § 314BGB wirksam.
Ein wichtiger Grund im Sinne des § 314 Abs. 1 BGB liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Dabei kann nach Einschätzung der Kammer offen bleiben, ob die Beklagte unter Missachtung der Anleihebedingungen massiv und fortwährend gegen die Vertragsbedingungen verstoßen hat, indem sie etwa die in den Prospekten beschriebene Liquiditätsrücklage nicht ordnungsgemäß gebildet oder verwendet hat bzw. die Anleihegläubiger in Bezug auf frei gewordene Grundschulden und Mietzinsforderungen nicht vereinbarungsgemäß abgesichert hat. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die nicht rechtzeitige Zahlung der vertraglich vereinbarten Zinsen am 01.07.2010 eine sofortige Kündigung rechtfertigen kann.
Denn dem Kläger ist schon deshalb eine Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zumutbar, weil die Beklagte überschuldet ist und in den Pressmitteilungen vom 30.06.2010 und vom 12.08.2010 angekündigt hat, bei unveränderten Vertragsbedingungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit einen Insolvenzantrag stellen zu müssen. Damit drohte der Beklagten nach eigener Aussage unmittelbar die Zahlungsunfähigkeit. Auf die Frage, ob die Beklagte damals tatsächlich überschuldet gewesen ist oder nicht, kommt es nicht an. Denn nach höchstrichterlicher Rechtsprechung kann in der unmittelbar drohenden Gefahr der Zahlungsunfähigkeit selbst dann ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung liegen, wenn die Überschuldung nicht festgestellt ist (BGH, Beschluss vom 10.03.2009 - XI ZR 492/07 und BGH NJW 2003, 2674 ff.; zitiert nach Juris). Diese von der Rechtsprechung für Darlehensverträge entwickelten Grundsätze sind auf den hier vorliegenden Fall der Kündigung von Hypothekenanleihen zu übertragen. Denn, ähnlich wie bei einem Darlehensvertrag, hat der Kläger der Beklagten für eine bestimmte Zeit Gelder zur Verfügung gestellt, die von dieser am Ende der vereinbarten Laufzeit zurückgezahlt werden müssen. Daneben besteht ein schuldrechtlicher Anspruch des Klägers auf die Zahlung eines zeitabhängigen Entgelts (Zinszahlung). Dabei ist zu beachten, dass nachrangige Hypothekenanleihen bzw. Immobilienanleihen Anleihen an Unternehmen sind, deren Mittelverwendung zwar im Interesse der Anleger erfolgt, die die erworbenen Immobilien aber zu einem bestimmten Teil auch fremd finanzieren. Folglich sind die die Ansprüche der Anleihegläubiger sichernden Grundpfandrechte nicht oder allenfalls nachrangig gegenüber den der Besicherung der Bankkredite dienenden Grundpfandrechten gesichert. Sie unterscheiden sich im Hinblick auf ihre faktische Absicherung letztlich nicht von herkömmlichen Unternehmensanleihen, welche - wie bereits beschrieben -nichts anderes als ein Darlehen an das jeweilige Unternehmen darstellen.
Eine vorherige Abmahnung des Klägers nach § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB ist vorliegend nach § 314 Abs. 2 Satz 2 BGB in Verbindung mit § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich gewesen. Denn die Beklagte behauptet nach wie vor, dass ein Insolvenzverfahren drohe, wenn nicht die Anleihegläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen verzichten. Vor diesem Hintergrund wäre ein Abmahnung bloße Förmelei. Die Beklagte ist nämlich ohne Mitwirkung der Anleihegläubiger nach eigenem Vorbringen nicht in der Lage, ihre finanzielle Situation innerhalb einer überschaubaren Frist entscheidend zu verbessern. Im Übrigen liegen auch weitere besondere Umstände vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die sofortige Kündigung rechtfertigen. Denn die Beklagte hatte mit der zweiten Adhoc-Mitteilung angekündigt, dass zeitnah Gläubigerversammlungen durchgeführt werden sollen, in denen das Kündigungsrecht der Anleihegläubiger mittels einer Mehrheitsentscheidung ausgeschlossen werden sollte. Vor diesem Hintergrund war es dem Kläger nicht zuzumuten der Beklagten eine Frist zur Abhilfe zu setzen. Zudem wäre eine Fristsetzung zu der Überschuldung reduzierenden Maßnahmen auch erkennbar aussichtslos gewesen, da die Beklagte nur durch die Zustimmung der Mehrheit der Gläubiger hierzu in der Lage gewesen wäre und daher von dem Verhalten Dritter abhängig war. Der Kläger hat die Kündigung auch innerhalb einer angemessenen Frist gemäß § 314Abs. 3 BGB erklärt.
Entgegen der Einschätzung der Beklagten ist das Recht des Klägers zur Kündigung auch nicht ausnahmsweise nach § 242 BGB ausgeschlossen.
Zwar ist zutreffend, dass bei der Beurteilung der Frage, ob ein wichtiger Grund zur Kündigung vorliegt, eine Gesamtwürdigung der besonderen Umstände des konkreten Falles und eine Abwägung der beiderseitigen Interessen der Vertragsteile erforderlich ist. Im vorliegenden Fall kann aber auch unter Berücksichtigung sämtlicher im Rahmen einer Abwicklung relevanter Gesichtspunkte nicht angenommen werden, dass es der Interessenlage der Parteien besser entspreche, den Vertrag bestehen zu lassen. Insbesondere liegt kein Fall vor, bei dem sich die Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers/Emittenten mit einer Kündigung wesentlich bis zur Insolvenz verschlechtern würden. Die Beklagte ist nach eigenem Vorbringen schon unabhängig von der Kündigung des Klägers überschuldet und Insolvenzreif. Sie ist zurzeit nur darum bemüht, durch einen angestrebten Verzicht der Anleihegläubiger auf einen Teil der diesen zustehenden Forderungen eine positive Fortbestehensprognose zu begründen. Die Beklagte ist darüber hinaus nach ihrem eigenen Vorbringen nicht in der Lage, ihren vertraglichen Verpflichtungen, also der Zahlung von jährlich 6 Prozent Zinsen und die vollständige Rückzahlung der Anleihe, zumindest Ratenweise nachzukommen. Für den Fall, dass es bei den ursprünglich vertraglich vereinbarten Pflichten bleiben sollte, hat die Beklagte vielmehr die Stellung eines Insolvenzantrages als äußerst wahrscheinlich angekündigt. Daher ist die Beklagte ja auch darum bemüht, einen erheblichen Verzicht der Anleihegläubiger herbei zu führen. Unter diesen Umständen ist dem Kläger jedoch eine Fortsetzung des Vertrages nicht zuzumuten.
Der Kläger muss auch nicht etwa den tatsächlichen Eintritt der wesentlichen Vermögensverschlechterung bei der Beklagten noch abwarten, sondern er hat bereits dann ein Kündigungsrecht, wenn sich die Vermögensverschlechterung und die daraus folgende Gefährdung der Rückzahlung seines Anlagebetrages sichtbar abzeichnen. Für den Darlehensvertrag ist anerkannt, dass anderenfalls der Sinn des außerordentlichen Kündigungsrechtes im Fall von Vermögensverschlechterungen für den Darlehensgeber in vielen Fällen verfehlt würde: Denn diese soll den Darlehensgeber gerade vor einem durch die Insolvenz des Darlehensnehmers eintretenden Vermögensverlust bewahren. Dieses Ziel würde konterkariert, wenn der Darlehensnehmer zunächst den Eintritt der Insolvenz abwarten müsste, da diese gerade den Vermögensverlust herbeiführt, so dass eine danach erklärte Kündigung wirkungslos wäre (BT-Drs. 14/6040, Seite 254 zu § 490Abs. 1 BGB).
Zwar kann es dem Darlehensgeber im Einzelfall durchaus zumutbar sein, das Darlehen bei dem Darlehensnehmer zu belassen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn sich die Vermögenssituation des Schuldners erst durch die Rückforderung des Darlehensvertrages in einer Summe so sehr verschlechtert, dass er insolvent wird, während ihm bei Belassung des Darlehens jedenfalls eine ratenweise Rückführung möglich wäre. Auch im Falle einer lediglich vorübergehenden Vermögensverschlechterung kann es im Einzelfall dem Darlehensgeber zumutbar sein, dem Darlehensgeber das Darlehen zu belassen (BT-Drs. a. a. O.). Diese Grundsätze sind auf den vorliegenden Fall der Kündigung von Hypothekenanlagen zwar grundsätzlich anwendbar. Jedoch liegt keiner der genannten Fälle vor, in dem es dem Darlehensgeber zumutbar ist, dem Darlehensnehmer das Darlehen zu belassen. Die Beklagte selbst trägt nicht vor, dass bei ihr nur eine vorübergehende Vermögensverschlechterung vorliegt. Ebenso wenig kann angenommen werden, dass die Rückforderung des Nennbetrages in Höhe von hier 20.000,00 Euro in einer Summe die Vermögenssituation der Beklagten so sehr verschlechtern würde, dass sie insolvent würde. Zum einen ist die Beklagte nach eigenen Angaben ohne Forderungsverzicht der Anleihegläubiger schon insolvenzreif. Zum anderen würde aber ein Betrag von 20.000,00 Euro an der Vermögenssituation der Beklagten nichts Wesentliches ändern.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass auch im Rahmen von § 490 BGB ein wichtiger Kündigungsgrund nach der Valutierung eines Darlehens nach ganz überwiegender Ansicht jedenfalls dann vorliegt, wenn durch weiteres Belassen der Mittel beim Darlehensnehmer die Rückgewehr so stark gefährdet wird, dass unter Preisgabe des Interesses des Schuldners am Behalten bis zum vereinbarten Fälligkeitstermin so schnell wie möglich gerettet werden muss, was zu retten ist; dies setzt eine Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung auch der Belange des Schuldners voraus (BT-Drs. a. a. O.; Mülbert in: Staudinger Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2011, § 490 Rn. 3, 38; Berger in: Münchener Kommentar zum BGB, 5. Auflage 2008, § 490 Rn. 17 ff.).
Diese Voraussetzungen liegen hinsichtlich des Klägers vor. Denn wenn er nicht gekündigt hätte, wäre ein Großteil seines Anlagebetrages höchstwahrscheinlich verloren und eine Kündigung aufgrund des anvisierten Gläubigerversammlungsbeschlusses ausgeschlossen gewesen. Auf Seiten der Beklagten ist zwar zu berücksichtigen, dass aufgrund der Kündigung einer Vielzahl von Anlegern nunmehr die Insolvenz kaum mehr zu vermeiden sein wird. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den Anlegern nicht um gewerblich handelnde Kreditgeber handelt und es sich deshalb für diese um erhebliche Summen handelt, so dass es diesen nicht zumutbar ist, ihr Geld bei der Beklagten zu belassen.
Ebenso wenig kann angenommen werden, dass der Kläger im Verhältnis zu anderen Anlegern, die ihre Anleihe bislang nicht gekündigt haben, durch die Kündigung einen unzulässigen Sondervorteil anstrebt. Die Kündigung soll den Darlehensgeber gerade vor einem durch die Insolvenz verursachten Gesamtausfall schützen. Insbesondere muss der Darlehensgeber, wie bereits dargelegt, den tatsächlichen Eintritt der wesentlichen Vermögensverschlechterung nicht abwarten. Da der Kläger kein Gesellschafter der Beklagten ist, sondern lediglich ein Gläubiger, ist eine über die normalen Treuepflichten im Verhältnis Gläubiger-Schuldner hinausgehende, den Treuepflichten eines Gesellschafters vergleichbare Treuepflicht nicht gegeben und der Kläger nicht verpflichtet, mit seinem Verhalten übrige Anleihegläubiger zu schützen bzw. nicht zu schädigen. Insbesondere hatte jeder Gläubiger genauso wie der Kläger die Möglichkeit bis zum Wirksamwerden der Beschlüsse der Gläubigerversammlung und dem Ausschluss des Kündigungsrechts von dem ihm zustehenden Kündigungsrecht Gebrauch zu machen. Das Bestehen eines Sondervorteils durch bloße Ausübung eines allseits bestehenden Kündigungsrechts kann folglich nicht angenommen werden.
Nichts anderes ergibt sich aus dem auf der Gläubigerversammlung im Oktober 2010 wirksam beschlossenen Kündigungsverzicht. Denn dieser ist für die von dem Kläger schon vorher am 09.09.2010 wirksam erklärte Kündigung rechtlich ohne Bedeutung. Insbesondere entfaltete der Beschluss der Gläubigerversammlung im August 2010 keine Wirksamkeit, da zu diesem Zeitpunkt eine Beschlussfähigkeit nicht gegeben war. Soweit die Beklagte dem Kläger vorwirft, er habe sich treuwidrig verhalten, weil er sich Ladungsfristen zunutze gemacht habe, um noch schnell zu kündigen, überzeugt dies nicht. Denn der Kläger ist nach keinem rechtlichen Gesichtspunkt verboten gewesen, die Anleihe innerhalb der Ladungsfrist zu kündigen. Auch der Hinweis der Beklagten auf das Ziel des Schuldverschreibungsgesetzes ist nicht überzeugend. Denn die auf den jeweiligen Versammlungen gefassten Beschlüsse sollen auch nach den Vorgaben des Schuldverschreibungsgesetzes keine (Rück-)Wirkung auf bereits gekündigte Altverträge haben.
Darauf, dass diejenigen Anleger, die bis zur Beschlussfassung von ihrem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben, ihre Verträge nun nicht mehr kündigen können, kommt es nicht entscheidend an. Denn es hat jedem Anleger frei gestanden, von dem ihm zustehenden Kündigungsrecht bis zur Gläubigerversammlung Gebrauch zu machen oder nicht. Das Kündigungsrecht des einzelnen Anlegers ist nicht von einer Mehrheitsentscheidung der Anleger abhängig. Vor diesem Hintergrund kann dem Kläger auch nicht mit Erfolg vorgeworfen werden, er erstrebe mit seiner Kündigung ein für ihn günstiges Ergebnis auf Kosten der übrigen Anleihegläubiger.
Die Kündigung war auch nicht vor dem Hintergrund der vermeintlich bestehenden Sicherheiten ausgeschlossen. Denn selbst wenn solche Sicherheiten bestünden, handelte es sich um nachrangige Sicherheiten, die im Falle der Insolvenz der Beklagten von den vorrangigen Sicherungsgebern, nämlich den Banken, aufgezehrt würden, somit nicht werthaltig wären.
Der geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Anwaltskosten ist aus den § 280 BGB gerechtfertigt. Denn insoweit verpflichtet schon die Ankündigung einer Erfüllungsverweigerung zum Schadensersatz nach § 280 BGB (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Auflage 2012, § 280 Rn. 24). Der Kläger hat insbesondere trotz des Anwaltswechsels einen Anspruch auf Ersatz der Anwaltskosten in voller Höhe. Denn das die Weiterführung des Mandats durch die vorherigen Rechtsanwälte wegen eines möglichen Interessenkonfliktes nicht mehr möglich war, war bei Beauftragung nicht absehbar und ist daher nicht von dem Kläger zu vertreten.
Der Zinsanspruch hinsichtlich der Rückzahlung der Anleihebeträge folgt aus den §§ 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2, 288 BGB. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen gewesen, dass die vom Kläger gesetzte Frist von unter 2 Wochen zur Rückzahlung des Anlagebetrages nach Einschätzung der Kammer zu kurz bemessen ist. An ihrer Stelle gilt eine angemessene Frist von 2 Wochen.
Hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten folgt der Zinsanspruch aus §§ 291288 BGB.
Der Feststellungsantrag ist begründet. Die Beklagte befindet sich ebenfalls mit der Rücknahme der Anleihen in Annahmeverzug.
Die weiteren prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 709 ZPO.
Streitwert: 20.000,00 Euro.

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